Es ist eine bekannte Geschichte: Der Held Hercules (griechisch: Herakles) wandelt im Gebirge Kithairon, als ihm an einer Weggabelung plötzlich zwei weibliche Gestalten, Voluptas (Lust, englisch Pleasure) und Virtus (Tugend, englisch Virtue), begegnen. Die beiden versuchen den jungen Halbgott für sich zu gewinnen. Am Ende der Werbungen verbindet sich Hercules mit der Tugend und verschreibt sich ihren Idealen. Der Tugend-Aspekt dieser Geschichte aus der antiken Mythologie machte sie auch in der christlichen Welt zu einem beliebten Sujet. So führte Johann Sebastian Bach am 5. September 1733 in Leipzig zum elften Geburtstag des sächsischen Kronprinzen Friedrich Christian mit seinem Collegium musicum das von ihm entworfene Dramma per musica „Lasst uns sorgen, lasst uns wachen“ BWV 213 auf. Im Sommer 1750, 17 Jahre nach Bach und unmittelbar vor seiner letzten Reise nach Deutschland, beschäftigte sich Georg Friedrich Händel in London mit dem Thema – das Ergebnis war „The Choice of Hercules“ HWV 69. Händel und Bach, im Abstand von etwa vier Wochen und 150 km entfernt voneinander geboren, sind sich persönlich nie begegnet. Mit der Verknüpfung beider Hercules-Werke zu einem Pasticcio findet nun für heutige Zuhörer eine virtuelle Begegnung beider Komponisten statt. Die Pasticcio-Praxis war zu Zeiten Bachs und Händels vor allem im Opernbetrieb eine gängige Methode, um verschiedene Musikstücke, mit Vorliebe auch mehrerer Komponisten, zu einem neuen Werk zusammenzustellen. Dass dabei während einer Aufführung mitunter in verschiedenen Sprachen gesungen wurde, tat der Wirkung und der Beliebtheit keinen Abbruch. Auch im von Clemens Flämig konzipierten und im Rahmen der CD-Reihe „haendeliana hallensis“ als Doppel-CD veröffentlichten „Hercules“-Pasticcio stehen englische neben deutschen Texten.
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